Nachbereitung und Transkription
Postskript und Notizen
Jedes Interview ist besonders: Vielleicht herrscht eine besondere Atmosphäre oder es gab eine auffallende Interaktion zwischen InterviewerIn und Erzählperson. Diese Besonderheiten finden sich häufig nicht im Transkript wieder, sollten aber festgehalten werden. Deshalb sollte nach jedem Interview ein "Postskript" angefertigt werden, in dem Auffälligkeiten, Störungen, Besonderheiten usw. festgehalten werden.
Nach dem Interview sollte schnellstmöglich die Audiodatei des Interviews gesichert werden!
Transkription: Einleitung
Transkription bedeutet, dass das aufgenommene Interview verschriftlicht wird. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der Verschriftlichung immer um einen Informationsverlust handelt. Es gibt verschiedene Transkriptionssysteme, die festlegen, wie die gesprochene Sprache in schriftliche Sprache umgewandelt wird. Dabei gibt es Transkriptionssysteme die sehr genau versuchen, das Gesagte wiederzugeben und welche, die sprachlich geglättet funktionieren. Wichtig ist, dass das Transkriptionssystem an das Forschungsprojekt angepasst wird: Je nachdem welche Fragestellung erforscht werden soll und welche Auswertungsmethode verwendet wird, gelten andere Anforderungen an ein Transkript. Bestimmte Auswertungsmethoden haben "höhere" Ansprüche an das Transkript als andere, d.h. dass hier das Gesagte genauer in ein Transkript überführt werden müssen.
Unterschiedliche Transkriptionssysteme
Je nachdem, welches Transkriptionssystem verwendet wird, variiert die Dauer der Transkription. Generell kann aber gesagt werden, dass es lange dauert zu transkribieren und dementsprechend bei der Planung des Forschungsprozesses hierfür Zeit und Ressourcen eingeplant werden müssen. Eine Faustregel besagt, dass man von einer Quote 1:8 ausgehen kann. Für eine Minute Audiodatei werden acht Minuten für die Erstellung des Transkripts benötigt.
Unabhängig davon, welches Transkriptionssystem gewählt wird, sollte ein einheitlicher Transkriptionskopf am Anfang des Transkripts erstellt. Dieser enthält wesentliche Informationen zum Transkript erstellt:
- Passage: Eingangspassage / Volltranskript
- Datum:
- Dauer:
- InterviewerIn
- Erzählperson:
- TranskribierendeR:
Transkribieren Sie lieber mit einem aufwendigeren System als mit einem zu vereinfachten Transkriptionssystem. Das Transkript im Nachgang umzuarbeiten in ein ausführlicheres Transkript ist aufwendiger, als von Beginn an mit einem detaillierteren Transkriptionssystem zu arbeiten. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Transkripte im Nachgang anonymisiert werden müssen.
Transkription nach Kuckartz
Dieses Transkriptionssystem ist durch recht einfache Transkriptionsregeln geprägt. Es soll schnell erlernbar sein und ist speziell für die spätere Arbeit mit computergestützter Datenauswertung entwickelt worden. Die Regeln lauten:
- Es wird wörtlich transkribiert, also nicht lautsprachlich oder zusammenfassend. Vorhandene Dialekte werden nicht mit transkribiert.
- Die Sprache und Interpunktion wird leicht geglättet, d.h. an das Schriftdeutsch angenähert. Bspw. wird aus "Er hatte noch so'n Buch genannt" - "Er hatte noch so ein Buch genannt".
- Alle Angaben, die einen Rückschluss auf eine befragte Person erlauben, werden anonymisiert.
- Deutliche, längere Pausen werden durch Auslassungspunkte (...) markiert.
- Besonders betonte Begriffe werden durch Unterstreichungen gekennzeichnet.
- Zustimmende bzw. bestätigende Lautäußerungen der Interviewer (Mhm, Aha etc.) werden nicht mit transkribiert, sofern sie den Redefluss der befragten Person nicht unterbrechen.
- Einwürfe der jeweils anderen Person werden in Klammern gesetzt.
- Lautäußerungen der befragten Person, die die Aussage unterstützen oder verdeutlichen (etwa Lachen oder Seufzen), werden in Klammern notiert.
- Absätze der interviewende Person werden durch ein "I", die der befragte Person(en) durch ein eindeutiges Kürzel, z.B. "B4", gekennzeichnet.
- Jeder Sprecherwechsel wird durch zweimaliges Drücken der Enter-Taste, also einer Leerzeile zwischen den Sprechern deutlich gemacht, um die Lesbarkeit zu erhöhen.
Kuckartz (2010): Einführung in die computergestützte Auswertung, S. 44.
Transkription nach "Talk in qualitative Research" (TiQ)
Das Transkriptionssystem "Talk in Qualitative Research" ist von Bohnsack im Rahmen der Arbeit mit Gruppendiskussionen erarbeitet und von Przyborski überarbeitet worden. Das System ist für rekonstruktive Methoden besonders geeignet.
Abkürzungen:
- ??? : Beginn einer Überlappung bzw. direkter Anschluss beim Sprecherwechsel
- ??? : Ende einer Überlappung
- (.) : Pause bis zu einer Sekunde
- (2) : Anzahl der Sekunden einer Sprechpause
- Nein : betont (unterstrichen)
- Nein : laut (fett geschrieben) in Relation zur üblichen Lautstärke des/r Sprechers/in
- °nee° : sehr leise (in Relation zur üblichen Lautstärke des Sprechers/der Sprecherin)
- . : stark sinkende Intonation (Punkt)
- ; : schwach sinkende Intonation (Strichpunkt)
- ? : stark steigende Intonation (Fragezeichen)
- , :schwach steigende Intonation (Beistrich / Komma)
- viellei- : Abbruch eines Wortes
- oh=nee : Wortverschleifung
- nei::n : Dehnung, die Häufigkeit vom : entspricht der Länge der Dehnung
- (doch) : Unsicherheit bei der Transkription, schwer verständliche Äußerungen
- ( ) : unverständliche Äußerungen, die Länge der Klammer entspricht etwa der Dauer der unverständlichen Äußerung
- ((stöhnt)) : Kommentare bzw. Anmerkungen zu parasprachlichen, nicht-verbalen oder gesprächsexternen Ereignissen; die Länge der Klammer entspricht im Falle der Kommentierung parasprachlicher Äußerungen (z.B. Stöhnen) etwa der Dauer der Äußerung. In vereinfachten Versionen des Transkriptionssystems kann auch Lachen auf diese Weise symbolisiert werden. In komplexeren Versionenwird Lachen wie folgt symbolisiert:
- @nein@ : z.B. lachend gesprochenes "nein"
- @(.)@ : kurzes Auflachen
- @(3)@ : 3 Sekunden Lachen
- //mhm// : Hörersignal des Interviewers, wenn das "mhm" nicht überlappend ist.
Przyborski/Wohlrab-Sahr (2014): Qualitative Sozialforschung, S. 169.
Beispieltranskript
Weitere Transkriptionssysteme
Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem 2 (GAT 2)
Das Gesprächsanalytische Transkriptionssystem 2 ist ein sehr genaues, linguistisches Transkriptionssystem, welches versucht durch das Transkript eine Rekonstruktion des tatsächlichen Höreindrucks wiederzugeben. Es ist für die Konversationsanalyse entwickelt worden. Das Transkribieren nach GAT 2 ist anspruchsvoll und muss erlernt werden. Von der Universität Freiburg gibt es ein umfangreiches Onlinetool zum Erlernen dieses Transkriptionssystems mit vielen Übungen.
HIAT (Halb-interpretative Arbeits-Transkription)
HIAT ist ebenfalls ein linguistisches Transkriptionssystem, welches insbesondere auch für die Konversationsanalyse genutzt wird. Anders als die bisher vorgestellten Systeme ist dieses System in der sogenannten Partiturschreibweise. Wie bei der Partitur eines Orchesterstücks werden hier den jeweiligen SprecherInnen auch einzelne Zeilen zugeordnet. So können gleichzeitig gesprochene Äußerungen und ihre Überlappungen dargestellt werden. Weitere Informationen und eine technische Umsetzung (EXMARaLDA-System) findet sich hier.
Technische Unterstützung
Bisher gibt es keine Spracherkennungsprogramme, die eine Transkription in ausreichender Qualität umsetzen würden. Es gibt unterschiedliche Softwarelösungen für die Umsetzung der Transkription. Bekannt sind die kostenpflichtigen Programme F4 (Windows) bzw. F5 (Mac), die Funktion innerhalb des Auswertungsprogramms MaxQda oder das kostenlose Programm EasyTranscript. Die Programme arbeiten mit globalen Steuerungstasten (abspielen, pausieren, zurückspulen).
Bei der Transkription ist die Verwendung von Kopfhörern unbedingt zu empfehlen. Außerdem kann optional ein Fußschalter verwendet werden, welcher die Verwendung von globalen Steuerungstasten ersetzt. Hier finden Sie eine Übersicht über Transkriptionsprogramme.
Zusammenfassung
Literaturhinweise
Kuckartz, Udo (2010): Einführung in die computergestützte Analyse qualitativer Daten. 3., aktualisierte Auflage, Wiesbaden: VS Verlag.
Przyborski, Aglaja/Wohlrab Saar, Monika (2014): Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch. 4., erweiterte Auflage, München: Oldenbourg.