Durchführung qualitativer Interviews: Von der Vorbereitung bis zur Umsetzung

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Bei der Durchführung von qualitativen Interviews als Erhebungsinstrument müssen unterschiedliche Aspekte bedacht und mitgeplant werden. Im Folgenden finden Sie eine chronologische Übersicht, was Sie zu welchem Zeitpunkt entscheiden und bedenken müssen. Sie finden diesen Plan hier auch aufbereitet als Checkliste zum Download.

Phase 1: Feldzugang vorbereiten

Entscheidung für eine bestimmte Interviewform und für eine Samplingstrategie

Am Anfang des Prozesses stehen die Auseinandersetzung mit den Methoden und die Wahl für eine Interviewform. Bei der Auswahl ist entscheidend, dass die gewählte Methode einerseits zur Fragestellung passt und gleichzeitig auch die Wahl der Auswertungsmethode mitbeachtet wird. Nachdem die Interviewform ausgesucht wurde, wird die Entscheidung über das Sampling getroffen. Es gibt verschiedene Samplingstrategien.

Erstellung des Erzählstimulus und/oder des Leitfadens

Nun wird mit der Erstellung des Erzählsstimulus bzw. des Interviewleitfadens begonnen. Achten Sie dabei auf die vorgestellten Grundsätze für die Erarbeitung. Legen Sie den Interviewleitfaden anderen Personen vor und holen Sie sich hierzu ein Feedback ein.

Erstellung von Unterlagen zur Vorstellung des Forschungsvorhabens für die Erzählpersonen

Bevor die Interviewpersonen kontaktiert werden, werden Unterlagen mit Informationen zum Forschungsvorhaben erstellt. Diese werden benutzt, um Personen über die Studie aufzuklären und für eine Teilnahme zu werben. Die Unterlagen sollten Informationen zum Projekt, zur Durchführung der Interviews und zum Datenschutz enthalten. Diese können auch bei einer telefonischen Kontaktaufnahme als Gedankenstütze helfen.

Phase 2: Interviewpersonen gewinnen

Anfrage bei und Gewinnung von Erzählpersonen

Über verschiedene Wege können Personen für das Interview gewonnen werden. Bei der telefonischen persönlichen Kontaktaufnahme mit Personen, die sich bereit erklären an der Studie teilzunehmen, sollte darauf geachtet werden, dass das Projekt ruhig, langsam und in einfacher Sprache erklärt werden. Diese Vorstellung sollte vorher geübt werden. Insbesondere ist bereits hier zu erklären, welche Erwartungen an die Erzählperson gestellt werden und was die Besonderheit an der gewählten Form des Interviews ist. Auch auf den zeitlichen Aufwand sollte hingewiesen werden.

Erstellung eines Informationsblattes und einer Einwilligungserklärung für den Datenschutz

Aus forschungsethischer Sicht ist eine Einwilligungserklärung unabdingbar. Sie sichert zu, dass dem forschungsethischen Prinzip der informierten Einwilligung entsprochen wird. Zusätzlich wird ein Informationsblatt gereicht, welches Informationen zum Datenschutz enthält. Das Informationsblatt enthält auch Kontaktdaten, damit die Person die Möglichkeit hat, das Forschungsteam im Nachgang nochmal zu erreichen. In der Einwilligungserklärung wird festgehalten, dass die Erzählperson sowohl mit der Durchführung, der Aufnahme, der Transkription und Interpretation des Interviews einverstanden ist. Dabei wird zugesichert, dass das Interviewmaterial anonymisiert wird, d.h. dass keine personenbezogenen Daten veröffentlicht werden und keine Rückschlüsse auf die Person gezogen werden können.

Wahl und Verabredung eines Interviewortes

Für die Wahl des Interviewortes muss bedacht werden, dass es sich um einen Ort handelt, an dem sich die Erzählperson wohl fühlt. An dem Ort sollte ein ungestörtes Gespräch möglich sein, sodass die Anonymität der Person gewahrt ist und sie auch vertrauliche Informationen mitteilen kann. Außerdem sollte er ruhig sein. Dies ist insbesondere auch für die Tonaufnahme und die anschließende Transkription wichtig. Viele Interviews werden auch bei der Erzählperson zu Hause geführt.

Phase 3: Technische Vorbereitung

Vor dem Interview sollten alle Unterlagen zusammengestellt werden. Dazu zählen das Informationsschreiben, die Einwilligungserklärung, der Interviewleitfaden und Schreibmaterial für Notizen. Zudem sollte im Vorfeld das Aufnahmegerät überprüft werden. Hierbei ist auf volle Batterien zu achten. Der Umgang mit dem Aufnahmegerät sollte im Vorhinein auch geübt werden.

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Kurz bevor das eigentliche Interview beginnt sollte noch einmal ein kurzer Aufnahmetest gemacht werden, um zu überprüfen, dass alle gut zu verstehen sind. Von einer Aufnahme mit einem Handy oder Smartphone wird aus verschiedenen Gründen abgeraten. Eine Möglichkeit zum Ausleihen von Aufnahmegeräten gibt es beim Tutorienprogramm der Sowi-Fakultät.

Phase 4: Gesprächsführung beim Interview

Vor dem eigentlichen Interview wird der Erzählperson nochmal die Einstiegsinformation gegeben und die Einverständniserklärung ausgehändigt. Hier werden nochmal falls notwendig Fragen zum Interview beantwortet. Das Aufnahmegerät wird angeschaltet und das Interview kann begonnen werden. Beim Interview sollten verschiedene Grundregeln beachtet werden, die im Folgenden dargestellt werden.

Bei der Führung des Interviews steht die Erzählung der Erzählperson im Vordergrund. Für das Gelingen eines Interviews muss die interviewende Person bestimmte Kompetenzen mitbringen. Die Grundlage qualitativer Interviewführung ist, dass der Erzählperson so viel Raum wie möglich für die eigenen Erzählungen gegeben wird.

Die interviewende Person sollte eine vertrauensvolle Atmosphäre im Interview schaffen. Dazu zählt auch eine wertschätzende Haltung gegenüber der Erzählperson, welche sich für das Interview Zeit nimmt.

Wie bereits erläutert ist außerdem immer wichtig, dass die Erzählung das Interview strukturiert und nicht durch eine starre Handhabung des Leitfadens unterbrochen wird. Damit die Erzählperson frei erzählen kann, ist deshalb häufiges Nachfragen zu vermeiden.

Auch sollten eigene Deutungen zurückgestellt werden. Auf bewertende und kommentierende Aussagen wird verzichtet („Ich verstehe das sehr gut“ / „Damit hätte ich auch Probleme gehabt“), auch wenn diese unterstützend gemeint sind. Auch sollten im Vorhinein eigene (theoretischen) Annahmen reflektiert werden, damit diese nicht unbedacht in die Interviewsituation hineingebracht werden.

Wenn es zu Erzählungen kommt, werden diese unterstützt und bemüht, diese aufrecht zu erhalten. Dies geschieht beispielsweise durch sogenannte Aufmerksamkeitsmarker wie „aha“ oder „hm“ oder durch Kopfnicken.

Das Ende des Interviews wird immer mit einer offenen Frageformulierung eingeleitet, wie beispielsweise: „Ja, nun haben wir einiges besprochen! Gibt es noch von Ihnen aus etwas, was Sie gerne noch erzählen möchten, was Ihnen wichtig ist, und was bisher im Interview noch nicht zur Sprache gekommen ist?“ Und natürlich bedankt man sich am Ende herzlich bei der Erzählperson. Danach wird die Einverständniserklärung von der Person unterschrieben.

Zusammenfassung

Literaturhinweise

Kruse, Jan (2015): Qualitative Interviewforschung. Ein intergrativer Ansatz. 2. überarbeitete und ergänzte Auflage, Weinheim/Basel: Beltz Juventa.

Helfferich, Cornelia (2011): Die Qualität qualitativer Daten. Manual für die Durchführung qualitativer Interviews. 4. Auflage, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Przyborski, Aglaja/Wohlrab Saar, Monika (2014): Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch. 4., erweiterte Auflage, München: Oldenbourg.

Checkliste für die Durchführung qualitativer Interviews

Hier finden Sie unsere Checkliste für die Durchführung qualitativer Interviews zum Herunterladen.

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Autor*innen dieses Artikels

Carla Scheytt (Methodenzentrum)

Diese Seite wurde zuletzt am 28.03.2024 aktualisiert.