Rekonstruktive Verfahren

Einleitung: Rekonstruktive Verfahren

Dieser Workshop stellt zwei Verfahren der rekonstruktiven Sozialforschung im Detail vor, zum einen die Objektive Hermeneutik, zum anderen die Dokumentarische Methode. Daneben umfasst der Bereich der rekonstruktiven Sozialforschung ein breites Spektrum an weiteren Auswertungsmethoden, wie z.B. Narrationsanalysen, Konversationsanalysen, Diskursanalysen, aber auch die Vielfalt der hermeneutischen Verfahren. Das qualitative Methodenspektrum ist umfangreich und besitzt je nach Erkenntnisinteresse und Analysefokus sehr spezifische Verfahren. Die Auswahl der passenden Auswertungsmethode ist somit genauso bedeutend, wie die Auswahl der Erhebungsmethode. So gibt es im Vorfeld einiges zu überdenken und zu entscheiden.

  • Wie kann meine Fragestellung beantwortet werden und wodurch?
  • Welche Methoden eignen sich dafür, um meine Fragestellung zu beantworten?

Dies sollte gut begründet im Forschungsdesign festgehalten werden.

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Aber was macht die rekonstruktiven Verfahren so bedeutend und für welche Forschungsfragen eignet sich so ein Vorgehen?

Die Entwicklung der rekonstruktiven Verfahren basiert auf klassisch soziologische Grundannahmen -> wir betrachten die soziale Welt als Forschungsobjekt. Die soziale Welt ist jedoch nicht objektiv gegeben, sie wird aus komplexen, subjektiven und sozialen Sinnwelten rekonstruiert. So lassen sich diese komplexen, individuellen und interaktiven Sinnwelten schlecht messen, wie es bei quantitativen Analysen der Fall wäre. Im Kontrast zu eher deduktiven, theoriegeleiteten quantitativen Verfahren, liegt hier der Fokus auf induktive, empiriegeleitete Erkenntnisse aus den Daten. Es gilt die soziale Wirklichkeit von "Innen heraus" zu verstehen, dazu benötigt es Methoden, die sich sehr gezielt mit der individuellen Interpretation der sozialen Wirklichkeit befassen. Dabei werden individuelle Relevanzstrukturen von Menschen besonders bedeutend, aber auch das Entdecken von kollektiven Orientierungen, das Erfassen von implizitem Wissen oder Deutungen, latente Sinnstrukturen, aber auch beispielsweise das ethnographische Entdecken von Kommunikationskulturen. Die Analyseebene befasst sich vor allem mit dem "Wie".

Oft werden diese Methoden bei fallspezifischen Analysen verwendet, aber auch in der Biographieforschung sind rekonstruktive Verfahren breit genutzt. Neben der Betrachtung des Einzelfalls, sind auch komparative Analysen und Typenbildungen möglich. Der Forschungsablauf unterscheidet sich natürlich je nach konkreter Methode, übergreifend finden wir jedoch sequenzanalytische Prozesse, also die Betrachtung und Interpretation, welche die Analyseeinheiten Zeile für Zeile, Abschnitt für Abschnitt, Fall für Fall betrachten. Auch das Arbeiten mit mit Fallvergleichen spielt hier oftmals eine Rolle, so finden kontrastierende Verfahren statt, um den Vergleich zu verdichten.

Um die Besonderheiten der Objektiven Hermeneutik und der Dokumentarischen Methode besser kennenzulernen, bitte folgende Links klicken:

Literaturhinweise

BERGER, P. / Luckmann, T. (1980): Die gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt am Main: Fischer Verlag.

BOHNSACK, R. (2021): Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. Leverkusen: Barbara Budrich Verlag.

FLICK, U. (2007): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Verlag

LAMNEK, S. / Krell, C. (2016): Qualitative Sozialforschung. Weinheim und Basel: Beltz

PRZYORSKY, A. / Wohlrab-Sahr, M. (2014): Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch. Oldenbourg: De Gruyter

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Autor*innen dieses Artikels

Yvonne Kohlbrunn (Methodenzentrum)

Diese Seite wurde zuletzt am 11.11.2022 aktualisiert.